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Kurz vor Weihnachten, am 19. Dezember 2023, trat das 12. EU-Sanktionspaket in Kraft. Danach und pünktlich zum zweiten Jahrestag der Invasion, gab es auch schon das 13. Paket, mit welchen insbesondere auf den Tod des Regimekritikers Nawalny reagiert wurde und welches am 24. Februar 2024 in Kraft trat. Das Thema Vermeidung von Umgehungen der EU-Sanktionen gegen Russland zieht sich mit zunehmender Dringlichkeit durch alle EU-Sanktionspakete und wurde daher auch noch einmal Gegenstand des 14. EU-Sanktionspakets, das am 25. Juni 2024 in Kraft trat. So enthält das 14. EU-Sanktionspaket einige “Klarstellungen“ bezüglich der von der EU von EU-Wirtschaftsteilnehmern erwarteten Sorgfalt durch Compliance-Maßnahmen.

Darüber hinaus hat die EU eine EU-Richtlinie verabschiedet, die für die EU-Mitgliedstaaten auf eine Harmonisierung der Straftatbestände zu Sanktionsverstößen und deren Ahndung zielt.

Zunächst der wesentliche Inhalt des 12. bis 14. EU-Sanktionspaketes in einer verkürzten und vereinfachten Übersicht:

I. Das 12. EU-Sanktionspaket

  • Erweiterung der personenbezogenen Beschränkungen (Anhang I VO 269/2014)
  • Erweiterung der Ausfuhrverbote um weitere „Advanced Technologies“-Güter (Anhang VII)
  • Erweiterung der Ausfuhrverbote von industriellen Gütern (Anhang XXIII)
  • Erweiterung der Durchfuhrverbote von industriellen Gütern (neuer Anhang XXXVII)
  • Erweiterung der Einfuhrverbote von bestimmten Waren aus Russland (Anhang XXI)
  • Erweiterung der Einfuhrverbote auf Diamanten (neuer Anhang XXXVIII)
  • Verpflichtende „No-Russia-Klausel“ für bestimmte Exporte (Anhänge XI, XX, XXXV, XL)

II. Das 13. EU Sanktionspaket

  • Erweiterung der personenbezogenen Beschränkungen (Anhang I VO 269/2014)
  • Erweiterung der Liste von Unternehmen die Russland militärisch stärken (Anhang IV)
  • Erweiterung der Ausfuhrverbote (Anhang VII, XXIII)
  • Eisen- und Stahlimporte aus UK (neues Partnerland gemäß Anhang XXXVI Art. 3g)

III. Das 14. EU-Sanktionspaket

  • Erweiterung der personenbezogenen Beschränkungen (Anhang I VO 269/2014)
  • Verbot von Wiederverladediensten für russisches LNG
  • Verbot der Nutzung des russischen Zahlungsverkehrssystems SPFS
  • Sanktionen gegen die russische “Schattenflotte“
  • Erweiterung der Ausfuhrverbote, z.B. best. Chemikalien, Aushubmaschinen
  • Erweiterung der Einfuhrverbote, z.B. für russisches Helium (Anhang XXI)
  • Island und Liechtenstein neue Partnerländer (Anhang VIII)
  • Neufassung und Erweiterungen „No-Russia-Klausel“ um Know-how für Anhang XL Güter
  • Besondere Compliance-Pflichten für Anhang XL Güter (neuer Art. 12gb)
  • Compliance-Bemühenspflicht der EU-Mutter für Tochter im Drittland (neuer Art. 8a VO 833/2014)

IV. Klarstellungen zu den Compliance-Anforderungen im 14. EU Sanktionspaket und aktuelle Entwicklungen zur Verhinderung von Umgehungen

A. Bemühenspflicht

Allen vorgenannten Sanktionspaketen gemein ist der Kampf gegen Umgehungen, welche die Wirkung der EU-Sanktionen gegen Russland untergraben. Zur Verhinderung der Umgehung von EU-Sanktionen will der Verordnungsgeber mit dem 14. EU-Sanktionspaket unter anderem klarstellen, dass es im Verhältnis zwischen EU-Muttergesellschaft und einer sich in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle befindlichen Tochtergesellschaft im Drittland eine Bemühenspflicht für die EU-Mutter gibt auf ihre Tochter entsprechend zur Einhaltung der Sanktionen nach besten Kräften einzuwirken.

Der Anwendungsbereich der sektoralen EU-Sanktionen nach der VO 833/2014 ergibt sich primär aus dessen Art. 13 und für die personenbezogenen EU-Sanktionen der VO 269/2014 gleichlautend aus dessen Art. 17. Die darin genannten tatbestandlichen Alternativen zur sanktionsrechtlichen Erfassung können auch Sachverhalte erfassen, die sich durchaus schon als extraterritorial bezeichnen lassen. Dies ist z.B. der Fall bei Geschäften, die lediglich „teilweise“ innerhalb der EU betrieben werden oder für die eine Entscheidung/Beteiligung der EU-Mutter notwendig ist etc..

Unabhängig von diesem per se schon weiten Anwendungsbereich des Art. 13 sieht der Verordnungsgeber des 14. Sanktionspakets darüber hinaus eine Verantwortlichkeit der EU-Mutter für ihre Tochter im Drittland, wenn die EU-Mutter es entgegen ihrer Bemühenspflicht unterlässt entsprechenden Einfluss auf die Tochter zur Einhaltung der Compliance mit den sektoralen EU-Sanktionen auszuüben:

Erwägungsgrund Nr. 27 zur Änderungs-VO 2024/1745 (Hervorhebung durch mich)

Die Verordnung (EU) Nr. 833/2014 gilt nur innerhalb der in Artikel 13 ebendieser Verordnung festgelegten Anwendungsgrenzen. Gleichzeitig können Wirtschaftsteilnehmer aus der Union, wenn sie in der Lage sind, maßgeblichen Einfluss auf das Verhalten einer außerhalb der Union niedergelassenen juristischen Person, Organisation oder Einrichtung zu nehmen und einen solchen maßgeblichen Einfluss wirksam geltend machen, für Handlungen dieser juristischen Person, Organisation oder Einrichtung, mit denen die restriktiven Maßnahmen untergraben werden, verantwortlich gemacht werden und sollten sie ihren Einfluss nutzen, um diese Handlungen zu verhindern.“

Aus diesen Erwägungen heraus hat der Verordnungsgeber den neuen Art. 8a in die VO 833/2014 eingefügt, der sich sowohl an juristische wie auch natürliche Personen, Organisationen und Einrichtungen als Adressat richtet:

Artikel 8a (Hervorhebung durch mich)

Natürliche und juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen bemühen sich nach besten Kräften, sicherzustellen, dass sich außerhalb der Union niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die sich in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle befinden, nicht an Handlungen beteiligen, die die restriktiven Maßnahmen gemäß dieser Verordnung untergraben“

Vor diesem Hintergrund stellt der Verordnungsgeber klar, dass in Bezug auf die Einhaltung der sektoralen EU-Sanktionen gegen Russland eine Art von “Laissez-faire-Politik“ oder die bewusste Abschottung von EU ansässigen Unternehmen gegenüber ihren Töchtern im Drittland nicht akzeptabel ist und geahndet werden kann. Allerdings kann und will der Verordnungsgeber auch nichts Unmögliches von EU-Unternehmen verlangen. Es sind daher unter anderem im Einzelfall seine Größe, seine Art und die tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen (z. B. der Grad der tatsächlichen Kontrolle oder die Unfähigkeit die Kontrolle auszuüben, z.B. aufgrund von Rechtsvorschriften des Drittlands).

B. Harmonisierung der Definitionen der Straftatbestände bei EU-Sanktionsverstößen und deren Ahndung mit Strafen und Geldbußen sowie die Möglichkeit einer Selbstanzeige

Mit der gleichen Absicht, die Umgehungen von EU-Sanktionen (speziell wegen Russland), zukünftig besser zu verhindern, wurde am 19. Mai 2024 eine EU-Richtlinie in Kraft gesetzt, die bis spätestens zum 20. Mai 2025 von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen ist. Mit Hilfe dieser EU-Richtlinie sollen auch die derzeit teilweise noch stark divergierenden Strafen und Geldbußen wegen EU-Sanktionsverstößen auf EU-weite Mindestmaße hin harmonisiert werden. Es liegt im jeweiligen Ermessen der EU-Mitgliedstaaten über die Mindestvorgaben der Richtlinie gegebenenfalls auch hinauszugehen. Gleichzeitig soll die Zusammenarbeit aller Beteiligten in der EU bei diesen Themen verbessert werden.

Für den deutschen Gesetzgeber bedeutet die EU-Richtlinie zu erledigende Hausaufgaben. Daher die zeitnahe Prüfung und erforderliche Anpassung der deutschen Straf- und OWiG-Vorschriften zur Definition und Ahndung von EU-Sanktionsverstößen (insbesondere §§ 17,18,19 AWG und § 82 AWV). Dadurch werden z.B. bestimmte grob fahrlässige Handlungen zukünftig strafbewehrt. Bei der Ahndung/Bestrafung/Geldbuße ist Deutschland überwiegend bereits im Soll der Mindestvorgaben der EU-Richtlinie, dennoch wird es vermutlich noch zu Verschärfungen an bestimmten Stellen kommen. So ist die von der EU-Richtlinie geforderte “Strafbarkeit“ in Form einer möglichen Sanktionierung von Unternehmen in best. Fällen durchaus vergleichbar mit § 30 OWiG. Die EU-Richtlinie fordert aber eine schärfere Sanktionierung (mögl. Höchststrafe von mindestens 5 % des weltweiten Umsatzes oder mindestens 40 MEUR).

Die EU-Richtlinie erkennt unter anderem mildernde Umstände im Fall von Sanktionsverstößen an, definiert diese aber so eng, dass darunter nur kronzeugenähnliche Informationsübermittlungen fallen können. Mit dem 14. EU-Sanktionspaket stellt der Verordnungsgeber dagegen klar, dass auch eine Selbstanzeige von Verstößen gegen EU-Sanktionen „gegebenenfalls“ ein mildernder Umstand sein kann (Erwägungsgrund Nr. 26). Dementsprechend wurden die Art. 8 (1) der VO 833/2014 und Art. 15 (1) der VO 269/2014 um einen Halbsatz erweitert:

Art. 8 (1) VO 833/2014 (Hervorhebung durch mich):

Die Mitgliedstaaten legen für Verstöße gegen diese Verordnung Sanktionen, gegebenenfalls auch strafrechtliche Sanktionen, fest und treffen alle zur Sicherstellung ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und können die Selbstanzeige von Verstößen gegen diese Verordnung im Einklang mit den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften als mildernden Umstand berücksichtigen. Die Mitgliedstaaten ergreifen ferner geeignete Maßnahmen zur Einziehung der Erträge aus solchen Verstößen.“

Nach den vorgenannten Erwägungsgründen muss eine mögliche Selbstanzeige, um erfolgreich zu sein freiwillig, vollständig und rechtzeitig erfolgen.

C. Kein Haftungsausschluss für Unwissenheit über Sanktionsverstöße bei mangelnder Sorgfalt

Art. 10 der VO 833/2014 und Art. 10 (2) der VO 269/2014 regeln einen Ausschluss der Haftung für Sanktionsverstöße, wenn Wirtschaftsbeteiligte nicht wussten oder keinen begründeten Verdacht hatten, dass sie mit ihren Handlungen gegen EU-Sanktionen verstoßen würden – quasi völlig ahnungslos waren, z.B. bezüglich einer verbotenen Weiterlieferung von Waren nach Russland. Der Verordnungsgeber des 14. Sanktionspakets stellt in dem Erwägungsgrund Nr. 36 der VO 833/2014 dazu klar (Hervorhebung durch mich):

„…dass der Schutz vor Haftung, der Wirtschaftsteilnehmern aus der Union gewährt wird, wenn sie nicht wussten und keinen begründeten Verdacht hatten, dass sie mit ihren Handlungen gegen restriktive Maßnahmen der Union verstoßen würden, nicht geltend gemacht werden kann, wenn die Wirtschaftsteilnehmer aus der Union die Sorgfaltspflichten nicht angemessen erfüllt haben. Bei der Erfüllung dieser Sorgfaltspflichten sind öffentlich oder ohne Weiteres zugängliche Informationen gebührend zu berücksichtigen. Daher sollten sich Wirtschaftsteilnehmer aus der Union beispielsweise nicht auf einen solchen Schutz berufen können, wenn ihnen vorgeworfen wird, gegen die einschlägigen restriktiven Maßnahmen verstoßen zu haben, weil sie es versäumt haben, einfache Kontrollen oder Überprüfungen durchzuführen.“

D. Verbotene Umgehungen der EU-Sanktionen nicht nur bei absichtlichen Handlungen

Auch hier geht es dem Verordnungsgeber um eine Klarstellung zur sanktionsrechtlichen Definition einer Umgehung in Art. 12 der VO 833/2014 und Art. 9 (1) VO 269/2014 vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH:

Erwägungsgrund (37) zu VO 833/2014 (Hervorhebung durch mich)

Um eine Angleichung an die Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-72/11 zu gewährleisten, wird mit dem Beschluss (GASP) 2024/1744 die Bestimmung zur Verhinderung von Umgehungen geändert, um klarzustellen, dass die Anforderungen in Bezug auf das Wissen und Wollen nicht nur dann erfüllt sind, wenn eine Person absichtlich eine Umgehung von restriktiven Maßnahmen bezweckt oder bewirkt, sondern auch dann, wenn eine Person, die an einer Tätigkeit beteiligt ist, die die Umgehung von restriktiven Maßnahmen bezweckt oder bewirkt, es für möglich hält, dass eine solche Beteiligung diesen Zweck oder diese Wirkung hat, und dies billigend in Kauf nimmt.“

Entsprechend wurden die vorgenannten Vorschriften der Sanktions-VO´en zur Klarstellung geändert

V. Resümee

Aus den vorstehenden Ausführungen geht klar hervor, dass sich dadurch der Druck auf das Vorhalten und die Pflege eines Internal Compliance Progammes (ICP) – entsprechend angemessen den individuellen Risiken der EU-Wirtschaftsbeteiligten – weiter erhöht. Die Durchsetzung von EU-Sanktionen im Allgemeinen und gegenüber Russland im Besonderen, verlangt die entsprechende Aufmerksamkeit und Unterstützung aller betroffenen EU-Wirtschaftsteilnehmer.

Damit ein ICP seine gewollte Schutzwirkung tatsächlich und rechtlich entfaltet, bedarf es entsprechender Pflege und dies quasi permanent, da sich die Sanktionsregeln, Geschäfte, Prozesse etc. jederzeit ändern und so Anpassungen erfordern können.

Eine entsprechende ICP-Pflege beinhaltet die (un-)regelmäßige Überprüfung der Organisation der Exportkontrolle und Einhaltung der Sanktionen/Embargos – z.B. mittels Checklisten/Interviews etc. – idealerweise durch außenstehende Experten.

Ein ICP hilft nicht nur dabei präventiv Sanktionsverstöße und Exportkontrollverstöße zu verhindern, es hilft auch bei einem bereits passierten Verstoß diesen schnellstmöglich vollständig aufzudecken, organisatorische Lücken zu schließen und gegebenenfalls eine entsprechende Selbstanzeige korrekt (freiwillig, rechtzeitig und vollständig) zu erstellen. Auch in unsicheren Zeiten wie diesen, kann das Geschäft so sicher und nachhaltig erfolgen. Mitunter scheuen Unternehmen den Compliance-Aufwand aufgrund der damit verbundenen Kosten. Diese Kosten werden aber in Fällen von Sanktionsverstößen regelmäßig von den damit verbundenen Kosten überragt, so dass Compliance insofern auch bei rein ökonomischer Betrachtung einen echten Mehrwert (Value added) für Unternehmen darstellt. Schon die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen Personen eines EU-Unternehmens und die Durchführung von Ermittlungen (z.B. Durchsuchungen, Vernehmungen), können bereits wirtschaftliche Schäden verursachen, die in einem eklatanten Missverhältnis zum Aufwand eines risikoangemessenen ICP stehen.