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Am 9. September 2021 wird nach langen Diskussionen eine neue Dual-Use Verordnung der EU  in Kraft treten. Die Ermittlung der daraus folgenden Änderungen lässt sich – wie üblich bei Rechtsänderungen – einfach und vordergründig durch ein Übereinanderlegen der alten, seit 2009 geltenden Verordnung (VO EG Nr. 428/2009; nachfolgend DU-VO a.F.) und der Fassung der neuen Verordnung erzielen (VO EU 2021/821; nachfolgend DU-VO n.F.). Hierzu gibt es bereits eine Vielzahl von Fachartikeln, die die rechtlichen Unterschiede im Detail und deren (mutmaßlichen) Auswirkungen für die Praxis beleuchten. Das nachfolgende Schaubild zeigt die wesentlichen Änderungen in Form der neuen und erweiterten Genehmigungstatbestände in gelb und rot markiert.

Dual-Use-Verordnung - Schaubild der Änderungen

Durch die jüngsten Presseinformationen um die Spähsoftware „Pegasus“ und deren Einsatzmöglichkeiten, werden der Hintergrund und die Bedeutung zur Kontrolle von Gütern der digitalen Überwachung und des neu geschaffenen Art. 5 eindrucksvoll vergegenwärtigt.  Ebenso unterstreicht dies die Wichtigkeit sogenannte „emerging technologies“ viel früher als bisher und in einem stärker EU weit abgestimmten Vorgehen, in den Fokus der internationalen Exportkontroll-Regime zu bringen.

Soweit diese Änderungen durch die DU-VO n.F. von allen Beteiligten verstanden sind, stellt sich aber daneben noch die Frage nach dem war es das auch? Daher, ist das unmittelbar Erkannte denn auch wirklich alles an Änderungen für die Zukunft, mit denen sich Unternehmen in der EU auseinandersetzen müssen oder gibt es hinter all den juristischen Einzelheiten und vordergründigen Änderungen möglicherweise noch mehr zu beachten? Was steht ggf. „zwischen den Zeilen“ und worauf sollten sich Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), in der EU mit Inkrafttreten der neuen EU DU-VO im Großen und Ganzen noch einstellen?

Die Antwort darauf ist ebenso banal wie bedeutsam. Die Anforderungen an das jeweilige interne Kontrollsystem (nachfolgend Internal Compliance Programme, ICP) von Unternehmen werden unter der EU DU-VO n.F. weiter ansteigen.  Dies ergibt sich u.a. aus den nachfolgenden Überlegungen.

  1. Das beabsichtigte Erreichen und Unterhalten eines Level Playing Fields in der EU zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen heißt aus deutscher Sicht in den anderen EU Ländern soll zukünftig ein mindestens gleich hohes Kontrollniveau erreicht werden wie in Deutschland als größte Exportnation in der EU, wo 50 % aller Exportkontrollgenehmigungsfälle in der EU liegen. Die Anforderungen an Ausführer und deren ICP steigen daher wo erforderlich in allen diesen EU Ländern zukünftig an und damit gleichzeitig die Möglichkeiten dort dagegen zu verstoßen mit allen daran anschließenden Konsequenzen.
  2. Die DU-VO n.F. forciert eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den EU Mitgliedstaaten, deren Exportkontroll- und Zollbehörden und der EU Kommission mit dem Ziel zu mehr Transparenz, verbesserten Kontrollen, Harmonisierung von Prozessen und für gleiche Wettbewerbsbedingungen. Dieses beabsichtigte „Nachjustieren“ der Behörden in der Exportkontrolle erfordert daher spiegelbildlich auch entsprechende Reaktionen auf Seiten der Ausführer in Bezug auf deren ICP. Ohne die eigenverantwortliche und kooperative Mithilfe der Ausführer bei der Exportkontrolle werden die EU Behörden ihre mit der DU-VO n.F. bestehenden und neu unterstrichenen Ziele nicht erreichen können.
  3. Die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) werden an verschiedenen Stellen in den Erwägungsgründen der DU-VO n.F. zum Zwecke ihrer vermeintlich besonderen Berücksichtigung erwähnt, was positiv ist. Dies sollte diese aber nicht zu der Annahme verleiten, dass Complianceverstöße von KMU gegenüber denen von großen oder multinationalen Unternehmen anders behandelt werden würden. Bei Verstößen gibt es kein Generalpardon für KMU und deren verantwortliche natürliche(n) Personen. Vor einem (Straf-) Gesetz in der EU sind alle Personen insofern gleich, auch wenn jeder Einzelfall stets für sich zu betrachten ist.
  4. In den Verhandlungen zur DU-VO n.F. wurde ein Vorschlag abgelehnt, der für alle Genehmigungsverfahren ausdrücklich ein ICP verlangte und nicht nur – wie bisher – für Anträge auf Globalgenehmigungen (in Deutschland: Sammelausfuhrgenehmigungen). Die Diskussion um diese Forderung wird sich mit Sicherheit in den kommenden Jahren fortsetzen.

Zu den vorstehenden Gründen für einen stärkeren Fokus der DU-VO n.F. auf die ICP von Ausführern kommt hinzu, dass die DU-VO n.F. erstmalig den Begriff „ICP“ als solchen überhaupt und in Art. 2 Nr. 21 definiert und  in weiteren Artikeln (in-)direkt auf ICP verweist. Im Sinne der neuen Verordnung bezeichnet der Ausdruck ICP (Hervorhebung hinzugefügt):

„internes Programm für rechtskonformes Verhalten“ oder „ICP“ („internal compliance programme“) laufende wirksame, geeignete und verhältnismäßige Strategien und Verfahren, die von Ausführern angenommen werden, um die Einhaltung der Bestimmungen und Ziele dieser Verordnung und der Bedingungen der gemäß dieser Verordnung erteilten Genehmigungen zu fördern, unter anderem Maßnahmen im Rahmen der Sorgfaltspflicht zur Bewertung der Risiken im Zusammenhang mit der Ausfuhr der Güter zu Endverwendern und Endverwendungen;“

Über diese Definition hinausgehend findet sich jedoch leider keine klare Ansage in den weiteren Artikeln der EU DU-VO n.F. an Unternehmen darüber wer, wann und wie ein ICP vorzuhalten hat. Dieses soll gemäß dem Erwägungsgrund Nr. 18 in separaten (rechtlich unverbindlichen) Leitlinien der EU erfolgen, wobei diese demnach keinen „one fits all“ Einheitsmodell-Ansatz für ein ICP verfolgen sollen.

Solche ICP Leitlinien für dual-use Güter gibt es bereits als unverbindliche Empfehlung/Leitlinie der EU Kommission vom 30. Juli 2019 (EU 2019/1318; ABl L 205/15 vom 5.8.2019). Insofern hat sich die (alte) Forderung aus dem Erwägungsgrund zu den fast zehn Jahre laufenden Verhandlungen bereits überholt.

In den Artikeln der DU-VO n.F. finden sich in Bezug auf Genehmigungsverfahren nur für Globalgenehmigungen (in Deutschland Sammelausfuhrgenehmigungen) die aus der alten VO übernommene Forderung nach dem Vorhalten und Nachweis eines ICP. In den vorhergehenden Diskussionen zu DU-VO n.F. war aber auch eine Forderung, ein ICP ausdrücklich für alle Genehmigungsverfahren zu verlangen. Dieser Vorschlag fand jedoch keine Mehrheit. Nunmehr steht diese Forderung meines Erachtens nur „zwischen den Zeilen“ der DU-VO n.F.

Für die unter der DU-VO n.F. neu geschaffene EU Allgemeingenehmigung EU007 für die konzerninterne Ausfuhr von Software und Technologie gibt es insofern überraschenderweise auch erstmalig in einer Allgemeinen Genehmigung der EU die ausdrückliche Forderung nach einem ICP des Ausführers.

Dadurch, dass explizit die DU-VO n.F. somit nur für Globalgenehmigungen und für die neue EU007 ein ICP verlangt,  wird vielleicht der falsche Eindruck erweckt, dass nur in diesen Fällen ein ICP von Nutzen und besonderer Bedeutung für Ausführer ist. Dem ist aber mitnichten so. Ein ICP stellt nicht nur in diesen beiden Fällen, sondern in allen Fällen der täglichen Praxis der Exportkontrolle den erforderlichen Schutzschirm für Unternehmen dar. ICP schützen Ausführer primär präventiv vor Verstößen und deren Verfolgung/Ahndung aber andererseits auch dann noch, wenn es unter einem ICP bereits zu Verstößen gekommen ist.

Etwas umständlich verschachtelt formuliert ergibt sich aus dem Erwägungsgrund Nr. 7, die aus Sicht der Verordnungsgeber zentrale Bedeutung des Vorhaltens eines angemessenen ICP für alle Beteiligten (Hervorhebung hinzugefügt):

„Ausführer, Vermittler, Erbringer technischer Unterstützung oder andere einschlägige Interessenträger leisten einen entscheidenden Beitrag zum übergeordneten Ziel von Handelskontrollen.

Damit sie im Einklang mit dieser Verordnung handeln können, muss als Teil eines internen Programms für rechtskonformes Verhalten („internal compliance programme“ – ICP) die Bewertung der Risiken im Zusammenhang mit Transaktionen, die unter diese Verordnung fallen, im Rahmen von transaktionsbezogenen Screening-Maßnahmen, auch bekannt als Grundsatz der Sorgfaltspflicht, durchgeführt werden.

In diesem Zusammenhang sind bei der Entwicklung und Umsetzung der ICP insbesondere Größe und Organisationsstruktur des jeweiligen Ausführers zu berücksichtigen.“

 
Hochrangige Beamte des BAFA lesen insgesamt aus alledem folgendes:

Die wachsende Bedeutung von internen (Export-)Kontrollmaßnahmen (ICPs) ist neben den o.g. internationalen und nationalen Entwicklungen auch in der Novelle klar erkennbar
G.
Pietsch, APräs im BAFA in AW Prax 04/2021 S. 211

und

“Jeder muss/sollte ein ICP haben. Nichts zu tun reicht nicht“
G.Pietsch, APräs im BAFA auf DIHK/BAFA virtueller Infoveranstaltung vom 16. Juni 2021


Fazit:
Die kommenden und im Vordergrund stehenden Änderungen in der DU-VO n.F. sollten Ausführer nicht zu der Annahme verleiten, dass darüber hinaus nichts Neues an Entwicklungen zu erwarten ist. Das Thema ICP ist nicht neu, wird aber meines Erachtens über die EU DU-VO n.F. noch stärker als bisher in den Fokus geraten und weiterentwickelt werden. Unternehmen mit Sitz in Deutschland sollten dazu z.B. auch ihre aufgebaute Expertise zur Exportkontrolle mit ihren verbundenen Unternehmen in anderen EU Ländern noch stärker teilen. In einer Lieferkette entscheidet oft das schwächste Glied über Erfolg oder Misserfolg.  Die Pflege eines angemessenen ICP für die Exportkontrolle stärkt internationale Lieferketten und ist ein Schlüssel zum (Welt-) Erfolg für exportierende kleine, mittlere und große Unternehmen in Deutschland und der EU.