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Am 29. Juni 2024 hat die EU mit der Änderungs-VO 2024/1865 (nachfolgend Änderungs-VO) zur Belarus Sanktions-VO Nr. 765/2006 (nachfolgend Sanktions-VO) neue Sanktionen gegen Belarus beschlossen, bestehende Sanktionen geändert, neue Compliance-Anforderungen definiert und Klarstellungen zu Compliance-Themen gemacht – ähnlich wie mit dem 14. EU-Sanktionspaket gegen Russland. Die Änderungs-VO trat am 1. Juli 2024 in Kraft.

Die EU-Sanktionen gegen Belarus sind mit den EU-Sanktionen gegen Russland nicht inhaltsgleich und bedürfen daher einer separaten Prüfung durch EU-Wirtschaftsakteure.

Das fortlaufende Problem und Risiko der Umgehung der EU-Sanktionen gegen Russland erfordert allerdings auch eine gewisse Abstimmung zwischen den teils unterschiedlichen und teils kongruenten EU-Sanktionen gegen Russland und Belarus. Aus dem Grunde wurde nach dem Muster der EU-Sanktionen gegen Russland und deren No Russia-Klausel eine sogenannte No Belarus-Klausel, für die gleichen sensiblen Güter mit überwiegend gleichen Inhalt mit der vorgenannten Änderungs-VO aufgenommen.

 

I. Wesentliche Änderungen

Die Änderungs-VO beinhaltet im Wesentlichen die folgenden Maßnahmen:

  • Die Ausfuhrverbote werden ausgeweitet auf weitere Güter mit doppeltem Verwendungszweck (Dual Use Güter)
  • Für weitere Güter, die zur Stärkung der industriellen Kapazitäten von Belarus beitragen könnten, werden Ausfuhrbeschränkungen erlassen
  • Die Durchfuhr bestimmter Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck durch Belarus wird verboten
  • Weitere Ausfuhrbeschränkungen betreffen unter anderem Güter und Technologien der Seeschifffahrt und Luxusgüter
  • Das Einfuhr-, Kauf- und Weiterverkaufsverbot für Diamanten aus Belarus wird präzisiert
  • Die Einfuhr von Gold, Kohle und Rohöl wird verboten
  • Die Erbringung bestimmter Dienstleistungen (zum Beispiel Architektur- und Ingenieurdienstleistungen, IT- und Rechtsberatung, Werbung und technische Inspektionsdienstleistungen) für belarussische Auftraggeber wird verboten
  • Bei Verkauf, Lieferung, Weitergabe oder Ausfuhr von bestimmten sensiblen (kriegsrelevanten) Gütern aus unterschiedlichen Warenkreisen müssen die EU-Ausführer ihren Geschäftspartnern in Drittländern die Wiederausfuhr nach Belarus beziehungsweise zur Verwendung in Belarus vertraglich untersagen (= No Belarus-Klausel)

II. Gleichzeitige Klarstellungen der Änderungs-VO

Die Änderungs-VO nimmt ebenso wie zuvor die Änderungs-VO (2024/1745) zu den EU-Sanktionen gegen Russland der VO 833/2014 bestimmte Klarstellungen zu Compliance-Themen vor und stellt die gleichen Compliance-Anforderungen an EU-Wirtschaftsbeteiligte für die besonders kriegsrelevanten (Common High Priority Items, Battlefield) Güter.

Mit den Klarstellungen soll vor allem Umgehungen der EU-Sanktionen vorgebeugt werden.

 

1. Klarstellung zur Umgehung

Art. 1m erhält nach der Änderungs-VO eine neue Fassung, die in Anlehnung an das EuGH-Urteil (C-72/11, Afrasiabi) deutlich macht, dass eine Beteiligung an einer Umgehung nicht nur in Form einer absichtlich begangenen Handlung verboten ist, sondern bereits in Form des bedingten Vorsatzes, wonach eine Umgehung der Sanktionen lediglich für möglich gehalten wird und diese Möglichkeit billigend in Kauf genommen wird. Der Grat zur verbotenen Beteiligung an einer Umgehung ist daher deutlich schmaler als man bisher aus der ursprünglichen Norm zur Umgehung herauslesen konnte. Die geänderte Norm lautet daher wie folgt (Hervorhebung durch mich):

Art. 1m

Es ist verboten, wissentlich und vorsätzlich an Tätigkeiten teilzunehmen, mit denen die Umgehung der in dieser Verordnung festgelegten Verbote bezweckt oder bewirkt wird, auch wenn mit der Beteiligung an solchen Tätigkeiten dieser Zweck oder diese Wirkung nicht absichtlich angestrebt wird, es aber für möglich gehalten wird, dass sie diesen Zweck oder diese Wirkung hat, und dies billigend in Kauf genommen wird.“

 

2. Klarstellung zur Bemühenspflicht

Vor dem Hintergrund der durch die EU-Kommission erkannten Umgehungen der EU-Sanktionen über Drittländer nach Russland bzw. Belarus, wurde Art. 8i neu in die Sanktions-VO aufgenommen, der Art. 8a der Russland-Sanktions-VO 833/2014 entspricht (Hervorhebung durch mich):

Art. 8i

Natürliche und juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen bemühen sich nach besten Kräften, zu gewährleisten, dass eine außerhalb der Union niedergelassene juristische Person, Organisation oder Einrichtung, die sich in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle befindet, nicht an Tätigkeiten teilnimmt, mit denen die restriktiven Maßnahmen gemäß dieser Verordnung untergraben werden.“

In den Erwägungsgründen Nr. 33 der Änderungs-VO wird erläutert, was die EU unter „Bemühen nach besten Kräften“ versteht. Im Kern wird darunter ein dem jeweiligen Risiko angemessenes Internal Compliance Programme (ICP) für den EU-Wirtschaftsakteur gefordert. Weitere Informationen zu den prinzipiellen Vorstellungen der EU-Kommission zu einem solchen ICP finden sich in deren Leitfaden vom 8. Sept 2023 (Guidance for EU operators).

 

3. Klarstellung zur strafmildernden Selbstanzeige

Die Änderungs-VO verweist im Erwägungsgrund Nr. 35 auf die EU-Richtlinie zur Harmonisierung der Straftatbestände bei Sanktionsverstößen und deren Ahndung (2024/1226). Die Umsetzung dieser Richtlinie wird EU weit zu einer Verschärfung bei der Verfolgung und Ahndung von Sanktionsverstößen führen – auch in Deutschland. Nichtsdestotrotz soll eine freiwillige, vollständige und rechtzeitige Selbstanzeige strafmildernde Wirkung haben. Eine erfolgreiche, strafmildernde Selbstanzeige ist häufig das Produkt eines ICP.

 

 

III. No Belarus-Klausel

Die No Belarus-Klausel gemäß Art. 8g der Änderungs-VO entspricht inhaltlich der No Russia-Klausel aus Art. 12g der Russland-VO 833/2014, auch wenn die jeweiligen römischen Ziffern der Güteranhänge, Daten und arabischen Ziffern der Absätze voneinander abweichen.

EU-Wirtschaftsakteure, die von den Anhängen erfasste Güter in ein Drittland verkaufen wollen, welches kein EU-Partnerland ist, sind demnach verpflichtet eine entsprechende Vertragsklausel zu vereinbaren. Die EU-Kommission hatte für Russland in ihren FAQ eine entsprechende Musterklausel vorgeschlagen. Dieses Muster kann entsprechend auch für Belarus genutzt werden, bzw. es können beide Fälle in einer Klausel zusammengefasst werden.

Noch wichtiger als die Verwendung einer solchen Klausel ist aber die für besonders sensible Güter des Anhangs XXX (kriegsrelevante, Battlefield, Common High Priority Items) präventive Compliance-Aufgabe, die in Art. 8ga der Sanktions-VO definiert wird (Hervorhebung durch mich):

Artikel 8ga

(1) Natürliche und juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen, die in Anhang XXX dieser Verordnung aufgeführte Güter von gemeinsamer hoher Priorität verkaufen, liefern, verbringen oder ausführen, gehen ab dem 2. Januar 2025 wie folgt vor:

a) Sie unternehmen zur Ermittlung und Bewertung der Risiken der Ausfuhr nach Belarus und der Ausfuhr zur Verwendung in Belarus von solchen Gütern oder Technologien geeignete Schritte, die im Verhältnis zur Art und Größe dieser Risiken stehen, und stellen sicher, dass die Risikobewertungen dokumentiert und auf dem neuesten Stand gehalten werden;

b) Sie setzen zur Minderung und zum wirksamen Management der Risiken der Ausfuhr nach Belarus und der Ausfuhr zur Verwendung in Belarus von solchen Gütern oder Technologien geeignete Strategien, Kontrollen und Verfahren um, die im Verhältnis zur Art und Größe dieser Risiken stehen, unabhängig davon, ob diese Risiken auf ihrer Ebene oder auf Ebene des Mitgliedstaats oder der Union festgestellt wurden.

(2) Absatz 1 gilt nicht für natürliche oder juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen, die in Anhang XXX aufgeführte Güter von gemeinsamer hoher Priorität nur innerhalb der Union oder an in Anhang Vba dieser Verordnung aufgeführte Länder verkaufen, liefern oder weitergeben.

(3) Natürliche und juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen stellen ab dem 2. Januar 2025 sicher, dass außerhalb der Union niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die sich in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle befinden und die in Anhang XXX aufgeführte Güter von gemeinsamer hoher Priorität verkaufen, liefern, verbringen oder ausführen, die Anforderungen in Absatz 1 Buchstaben a und b erfüllen.

(4) Absatz 3 gilt nicht, wenn eine natürliche oder juristische Person aus nicht von ihr verursachten Gründen nicht in der Lage ist, Kontrolle über die in ihrem Eigentum befindliche juristische Person, Organisation oder Einrichtung auszuüben.“

Für die Güter des Anhangs XXX der Sanktions-VO, die identisch sind mit den Gütern des Anhangs XL der Russland-Sanktions-VO 833/2014, werden somit erweiterte Anforderungen an das ICP von betroffenen EU-Wirtschaftsakteuren gestellt. Zwar ist dafür als Datum erst der 2. Januar 2025 genannt, jedoch sind betroffene EU-Wirtschaftsakteure gut beraten vorausschauend zu agieren.

Ebenfalls offiziell erst ab dem 2. Januar 2025 sollen betroffene EU-Wirtschaftsakteure gemäß Art. 8ga Abs. 3 der Sanktions-VO für Ihre Tochtergesellschaften in Drittländern „sicherstellen“, dass über diese keine Umgehungen in Bezug auf Güter des Anhangs XXX erfolgen. Daneben und schon vor dem 2. Januar 2025, gilt die allgemeine Bemühenspflicht des Art. 8i der Sanktions-VO auch für die Güter des Anhangs XXX.

Bisher gibt es für Tochtergesellschaften von EU-Wirtschaftsakteuren keine ausdrückliche Verpflichtung eine No Belarus- oder No Russia-Klausel in bestimmten sensiblen Fällen zu verwenden. Die EU-Kommission wird aber nach Erwägungsgrund Nr. 28 der Änderungs-VO bewerten, ob das Klausel-Gebot in der jetzigen Form Umgehungen verhindert oder, ob Anpassungen erforderlich werden, wie u.a. eine ausdrückliche Verpflichtung von Tochtergesellschaften im Eigentum oder unter Kontrolle von EU-Wirtschaftsakteuren ebenfalls solche Klauseln zu vereinbaren.

 

IV. Fazit:

EU-Wirtschaftsakteure, die Güter aus der EU ausführen, benötigen schon allein aus Gründen der allgemeinen Exportkontrolle ein ICP. Erst recht gilt dies, wenn EU-Wirtschaftsakteure vom EU-Sanktionsrecht betroffen sind. Ganz besonders wichtig wird darüber hinaus das Vorhalten eines effektiven ICP, wenn EU-Wirtschaftsakteure von den Sanktionen gegen Russland und Belarus betroffen sind, insbesondere in Bezug auf die in Anhang XXX bzw. XL der beiden Sanktions-VO´en erfassten kriegsrelevanten Güter.

EU-Wirtschaftsakteure tun daher im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht gut daran die eigene Betroffenheit einmalig, wiederholt bei Änderungen oder sogar kontinuierlich zu ermitteln (Riskoanalyse), zu bewerten und erforderlichenfalls in risikominierende Maßnahmen umzusetzen.

 

Die Wirksamkeit der EU-Sanktionen gegen Russland und Belarus hängt natürlich in besonderem Maße an deren effektiven Umsetzung und Anwendung durch alle Beteiligten. Ohne die entsprechende Aufmerksamkeit und Unterstützung der EU-Wirtschaftsakteure, inklusive auch über deren Verbindungen in Drittländer, werden die Ziele der Sanktionen nur schwerlich erreicht werden können. Jedes gut funktionierende ICP beginnt mit einem klaren Committment durch die Geschäftsführung zur Compliance, das gefolgt wird von einer entsprechenden Risikoanalyse.