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Mit dem 11. Sanktionspaket vom 23. Juni 2023 (ABL. L 159I vom 23.06.23), welches weitere Verschärfungen des Embargos bewirkt, legt die EU einen stärkeren Fokus auf die zukünftige Vermeidung von Umgehungen aller bestehenden EU-Sanktionen gegen Russland. Parallel zum 11. EU-Sanktionspaket harmonisiert und verschärft die EU aktuell auch das Strafrecht für Sanktionsverstöße, wozu u.a. auch bestimmte Umgehungen gehören sollen.

Dies alles erhöht wiederum den Druck (a) auf die Internal Compliance Programme von betroffenen Unternehmen in der EU; (b) auf die Behörden und Gerichte in der EU bei der Überwachung und Umsetzung der Sanktionen und (c) auf Personen mit Umgehungsabsichten, die ihre Umgehungsversuche noch geschickter verdecken oder initiieren müssen, um damit erfolgreich zu sein. Letzteres wird, wie in einer Art von Kreislauf, wiederum zu besonderer Vorsicht und erhöhter Sorgfalt bei Unternehmen und Behörden für Geschäfte im Sanktionsumfeld führen müssen.

I. Elftes EU-Sanktionspaket – Änderungen der VO(EU) Nr. 833/2014 und VO(EU) Nr. 269/2014

Mit dem elften Sanktionspaket wurden – wie schon bei allen vorherigen Paketen – wieder die VO(EU) Nr. 269/2014, welche Finanzsanktionen gegen bestimmte Personen anordnet und die Verordnung (EU) Nr. 833/2014, die vornehmlich bestimmte Güter und mit diesen im Zusammenhang stehende Transaktionen sanktioniert, erweitert.

Folgende Änderungen wurden im Wesentlichen an der VO(EU) Nr. 833/2014 vorgenommen:

  • Verbote i. Z. m. der Übertragung von Rechten des geistigen Eigentums oder Geschäftsgeheimnisse an vom Embargo betroffenen Gütern an Unternehmen in Russland
  • Ausweitung des Durchfuhrverbots auf Güter des Anhang VII (Art. 2a Abs. 1a)
  • Verbot der Durchfuhr von Gütern des Anhang XI (Luft- und Raumfahrtindustrie) und des Anhang XX (Flugturbinenstoffe und Kraftstoffadditive) durch Russland (Art. 3c Abs. 1a)
  • Ausweitung des Verbots des Zugangs von Schiffen zu Häfen und Schleusen in der EU (Art. 3eb Abs. 1, Art. 3ec Abs. 1)
  • Aufnahme einer Nachweispflicht für Einführer über das Ursprungsland von Eisen- und Stahlvorprodukten (Art. 3g Abs. 1 d)
  • Erweiterung des Luxusgüterembargos auf das Verbot der Erbringung Technischer Unterstützung (Art. 3h Abs. 2)
  • Ausweitung des Beförderungsverbots für russische Speditionen auf das Verbot der Nutzung russischer Anhänger (Art. 3l Abs. 1a)
  • Erstreckung des Ölembargos auf die Lieferung von Öl durch die Druschba Nord Pipeline sowie Ausnahmen für Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zu Gunsten des kasachischen Betreibers (Art. 5q)
  • Ausweitung der Güterlisten für Ausfuhrverbote für Elektronikprodukte, Industriegüter, Stahlprodukte und PKWs
  • Zusammenfassung der Einfuhrverbote nach Art. 3i und Art. 3j zu einem gemeinsamen Einfuhrverbot (Art. 3i)
  • Herausnahme von PKW und anderen Kraftfahrzeugen der Warenverzeichnisnummer 8703 aus Anhang XVIII und Aufnahme dieser Fahrzeuge in Anhang XXIII (zu den Auswirkungen siehe unten Luxusgüterembargo Art. 3h)
  • Aufnahme einer Altvertragsregelung für bestimmte Güter des Anhang XXIII (Art. 3k Abs. 3, Abs. 3a, Abs. 3b)
  • Aufnahme weiterer Ausnahmetatbestände i. Z. m. Gütern der Anhänge VII, XI und XX

 

Folgende Änderungen wurden im Wesentlichen an der VO(EU) Nr. 269/2014 vorgenommen:

  • Änderung des Anhang I, der sanktionierte Personen, Organisationen und Einrichtungen erfasst
  • Redaktionelle Änderungen u.a. im Hinblick auf Umgehungen, z.B. Art. 3 Abs. 1 lit. h) ii) „die Bestimmungen auf andere erhebliche Weise unterlaufen“
  • Schaffung von Ausnahmen, z.B. zum Abzug von Investitionen aus Russland

II. Neue Informationsoffenlegungspflicht mit 11. Sanktionspaket

Darüber hinaus besteht seit dem 24. Juli eine Pflicht für alle Wirtschaftsbeteiligten, den für ihren Geschäftssitz zuständigen EU-Behörden (in Deutschland dem BAFA) Informationen zur erleichterten Umsetzung der VO(EU) Nr. 833/2014 zu übermitteln (Art. 6b Abs. 1 VO 833/2014) und zwar innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt solcher Informationen. In Deutschland ist ein Verstoß gegen diese neue „Informationsoffenlegungspflicht“ bußgeldbewährt nach § 19 Abs. 5 Nr. 1, 4 AWG mit bis zu EUR 30.000. Eine ähnliche Vorschrift gibt es bereits mit Art. 8 in der VO(EU) Nr. 269/2014. Verstöße gegen die Informationsoffenlegungspflicht aus letzterer Verordnung könnten zukünftig sogar als Straftat verfolgt werden.

Die so von einer Behörde in der EU unter dieser neunen Vorschrift (Art. 6b Abs. 1 VO 833/2014) erlangten Informationen sollen nach einer Überprüfung an die EU-Kommission innerhalb eines Monats (ggf. anonymisiert) weitergeleitet werden. Über die praktischen Auswirkungen dieser neu aufgenommenen Verpflichtung lässt sich derzeit nur spekulieren. Unternehmen tun sicherlich gut daran, diese Verschärfung sehr ernst zu nehmen und entsprechend zu berücksichtigen.

III. Kommende Änderungen zum Strafrecht in EU, Verfolgung und Ahndung in Bezug auf das EU-Sanktionsrecht

Ein Manko bei der bisherigen Umsetzung der EU-Sanktionen – unabhängig vom Russlandembargo aber durch dessen Erfahrungen verdeutlicht – ist, dass die EU-Mitgliedstaaten zu wenig harmonisiert bei der Verfolgung und Sanktionierung von Verstößen gegen EU-Sanktionen sind. Aktuell können z.B. dieselben vorsätzlichen Verstöße gegen EU-Sanktionen in manchen EU-Ländern als bloße Ordnungswidrigkeit und in anderen dagegen als Straftat und nur mit Freiheitsstrafe verfolgt und geahndet werden. Diese mangelnde Harmonisierung schadet somit der Durchsetzung und Abschreckung von Sanktionsverstößen. Auch lädt diese Ungleichbehandlung Täter und Teilnehmer zum sogenannten „Forum Shopping“ ein, indem diese in dem EU-Mitgliedstaat mit den geringsten Risiken agieren.

Zur Beseitigung dieses Mankos hat die EU-Kommission eine EU-Richtlinie (COM(2022) 684 final) am 22. Dezember 2022 entworfen, welche sich zurzeit im ordentlichen EU-Gesetzgebungsverfahren befindet. Zuvor hatte die deutsche Bundesregierung per Gesetz einer Kompetenzerweiterung der EU für diesen Bereich zugestimmt.

Die wichtigsten Elemente des Richtlinienvorschlags der EU-Kommission sind:

  • Eine Liste von Verstößen gegen EU-Sanktionen, die einen Straftatbestand darstellen, wie z.B.:
    • Bereitstellung von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen für eine benannte Person, Organisation oder Einrichtung oder zu deren Gunsten;
    • Unterlassen des Einfrierens dieser Gelder;
    • Ermöglichung der Einreise der bezeichneten Personen in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder ihrer Durchreise durch das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats;
    • der Abschluss von Transaktionen mit Drittländern, die durch restriktive Maßnahmen der EU verboten oder eingeschränkt sind;
    • Handel mit Waren oder Dienstleistungen, deren Einfuhr, Ausfuhr, Verkauf, Kauf, Weitergabe, Durchfuhr oder Beförderung verboten oder beschränkt ist;
    • die Erbringung von Finanzdienstleistungen, die verboten oder beschränkt sind; oder
    • die Erbringung anderer Dienstleistungen, die verboten oder beschränkt sind, wie z. B. Rechtsberatung, Treuhanddienste und Steuerberatung.
  • Der Straftatbestand der Umgehung einer restriktiven Maßnahme der EU umfasst die Umgehung oder den Versuch der Umgehung restriktiver Maßnahmen durch Verbergen von Geldern oder Verschleierung der Tatsache, dass eine Person der eigentliche Eigentümer von Geldern ist.
  • Gemeinsame Grundnormen für Strafen: Je nach Straftat kann die einzelne Person mit einer Höchststrafe von mindestens fünf Jahren Gefängnis bestraft werden; gegen Unternehmen können Strafen in Höhe von mindestens 5 Prozent des weltweiten Gesamtumsatzes der juristischen Person (des Unternehmens) im Geschäftsjahr vor dem Bußgeldbescheid verhängt werden.

In Deutschland wurde mit der Revision des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) im Jahr 2013 der damals vorhandene Straftatbestand der Umgehung herausgelöst, da es verfassungsrechtliche Bedenken wegen des damals uferlos definierten Tatbestands der Umgehung im AWG gab.

Der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission sieht klar die Notwendigkeit der (Wieder-) Aufnahme eines solchen Straftatbestands für bestimmte Umgehungen in Deutschland und EU-weit vor. Wie jede andere Strafvorschrift in Deutschland auch, müsste ein solcher Straftatbestand für die Umgehung der EU-Sanktionen dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot entsprechen – dies sollte durch entsprechende Formulierungen juristisch möglich sein und dies könnte helfen, aktuelle Lücken in der Sanktionierung und Strafverfolgung zu schließen.

Die EU-Kommission möchte zudem auch grob fahrlässig begangene Sanktionsverstöße zukünftig als Straftaten verfolgen. In Deutschland ginge auch dies unter dem bisherigen AWG nicht.

Auch sollen Verstöße gegen Informations- und Meldepflichten nach dem Richtlinienvorschlag als Straftaten verfolgt werden und, wenn es sich um Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen von mehr als € 100.000 handelt. Beim Überschreiten dieser Grenze sollen Freiheitsstrafen von nicht unter einem Jahr verhängt werden.

IV. Ausblick

Ob der Vorschlag der EU-Kommission zu einer EU-Richtlinie für die Definition von Straftatbeständen bei EU-Sanktionsverstößen so kommt, wie er bereits im Entwurf heute vorliegt, ist noch offen. Angesichts der unstreitigen Lücken im EU-Strafrecht in Bezug auf EU-Sanktionen und der weiteren Bedrohung durch Russland, sind meines Erachtens weder ein Scheitern der geplanten Richtlinie noch größere Änderungen am Entwurf zu erwarten. Die EU meint es erkennbar ernst mit diesem Thema und der konzentrierteren Vermeidung von Umgehungen. Völlig klar sollte daher vor diesem Hintergrund sein, dass die Compliance-Schraube im Sanktionsrecht und in der Exportkontrolle immer fester angezogen wird. Auch ein zukünftiges 12. EU-Sanktionspaket gegen Russland ist keine Frage des „Ob“, sondern nur des “Wann“. Für betroffene Unternehmen in Deutschland und der EU gilt es daher bei der entsprechenden Compliance die Zügel weiterhin fest in den Händen zu halten.