Am 16. Dezember 2022 hat die EU das mittlerweile 9. Sanktionspaket gegen Russland in Kraft gesetzt.
I. Hintergrund des neunten EU-Sanktionspaketes
Als Reaktion auf den weiter anhaltenden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und die schwere weitere Eskalation gegen die Zivilbevölkerung und die zivile Infrastruktur nahm der Rat ein neuntes Paket von Sanktionen an. Die Maßnahmen beinhalten grob zusammengefasst die folgenden Verbote:
- die Ausfuhr von Motoren für Drohnen
- die Ausfuhr von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck
- Investitionen im Bergbausektor
- Transaktionen mit der Russian Regional Development Bank
- die Erbringung von Dienstleistungen für Werbung, Markt- und Meinungsforschung
- die Aussetzung der Rundfunklizenzen für vier weitere russische Sender
- die Verhängung von Sanktionen gegen weitere Personen und Einrichtungen.
Diese Verschärfungen der Sanktionen wurden wieder über Änderungen der entsprechend seit 2014 bestehenden Embargo-Verordnungen umgesetzt. Dies sind die VO (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen gegen Russland und die VO (EU) Nr. 269/2014 über Maßnahmen zur territorialen Unversehrtheit der Ukraine. Letztere Verordnung beinhaltet die Namensliste von Personen, Organisationen und Einrichtungen, mit denen keinerlei Geschäfte gemacht werden dürfen und deren Vermögen eingefroren wird.
Die diversen bisherigen EU-Sanktionspakete und wesentlichen Änderungen der Namenslisten, erfolgten alle in einem sehr kurzen Zeitraum im Jahr 2022 parallel zur russischen Eskalation und erfordern so von Unternehmen entsprechend kurzfristige Überprüfungen ihrer Geschäftspartner, Produkte und ggf. Anpassungen ihrer Prozesse.
Die Änderungen der Verordnungen treten regelmäßig bereits am ersten Tag nach ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft. Soweit ein Verbotstatbestand erfüllt ist und keine sogenannten Altvertragsklauseln für bereits zuvor vereinbarte Geschäfte greifen, ist das EU-Embargo quasi “scharfgeschaltet“. Im Fall von Unkenntnis über ein neues Verbot bei einem Verstoß, gibt es lediglich eine sehr kurze zweitägige Schonfrist gemäß § 18 Abs. 11 des Außenwirtschaftsgesetzes.
Vor diesem Hintergrund ist es für Unternehmen wichtig ein entsprechendes Internal Compliance Programme (ICP) für EU-Embargos – wie das Russland-Embargo im Speziellen und daneben auch für die Exportkontrolle im Allgemeinen – permanent und entsprechend dem eigenen Risiko, vorzuhalten.
II. Inhalt des neunten EU-Sanktionspaketes
Mit dem achten EU-Sanktionspaket sind konkret die folgenden Änderungen/Verschärfungen in Kraft getreten:
1. Es wurden weitere Personen auf die EU-Sanktionsliste gesetzt. So werden 141 natürliche Personen aus unterschiedlichen Bereichen erfasst (u.a. weitere Mitglieder des Staatsduma, weitere Mitglieder der russischen Regierung, Propagandisten, weitere Angehörige der russischen Streitkräfte, Leiter von russischen Staatsunternehmen und Familienangehörige bereits gelisteter Personen, etc.). Daneben werden 49 Einrichtungen neu erfasst (u.a. verschiedene russische Parteien, russische Medienunternehmen, russische Rüstungs- und Luftfahrtunternehmen, russische Banken).
2. Es wurden die folgenden Änderungen in Bezug auf Transaktionen wie Einfuhren, Ausfuhren, Investitionen, bestimmte Dienstleistungen, etc. beschlossen:
a. Ausweitung des Beteiligungsverbots im Bezug zum Sektor Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden (Art. 3a Abs. 2 i. V. m. Art. 1x)
b. Anpassungen i. Z. m. Erdölerzeugnissen (Art. 3m) und Erdgas (Art. 3n)
c. Erweiterung des Verbots der Führung von Leitungspositionen in russischen Unternehmen (Art. 5aa)
d. Erweiterung der Dienstleistungsverbote um Werbung, Markt- und Meinungsforschung sowie Produktprüfung und technische Überwachung (Art. 5n)
e. Aufnahme von weiteren Gütern in den Anhängen VII, XI, XVII und XXIII
f. Anpassung der Ausnahmebestimmungen i. Z. m. Gütern des Anhang XI (Art. 3c), Anhang XVII (Art. 3g), Anhang XXI (Art. 3i) und Anhang XXIII (Art. 3k)
g. Neue Ausnahmebestimmungen zu Einfuhr- und Ausfuhrverboten zur Erleichterung des Ausstiegs aus dem russischen Markt (Art. 12b)
III. Ausblick
Vor dem Hintergrund dieser Verschärfungen und der Erkenntnis, dass Russland dadurch immer stärker unter Druck gerät an die Produkte aus der EU zu gelangen, die es zur Aufrechterhaltung seines Krieges gegen die Ukraine und seiner Wirtschaft so dringend benötigt, ist zukünftig mit allen Arten von Umgehungs- und Beschaffungsversuchen zu rechnen. Unternehmen sollten hierauf vorbereitet sein. Das Vorhalten eines ICP – entsprechend dem eigenen Risikoprofil – ist auch dafür unerlässlich.
Fast gleichzeitig mit dem 9. Sanktionspaket der EU ist in Deutschland das Sanktionsdurchsetzungsgesetz II („Zweites Gesetz zur effektiven Durchsetzung von Sanktionen“) in Kraft getreten. Das neue Gesetz sieht u.a. die Schaffung einer neuen Zentralstelle für die Sanktionsdurchsetzung in Deutschland vor, welche unter dem Bundesfinanzministerium koordinierend zwischen Bundesbank, dem Bundesamt für Wirtschaft- und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und der Zollverwaltung tätig werden wird. Ziel ist insbesondere die bessere Ermittlung und Sicherstellung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen von gelisteten Personen, zu denen auch viele russische Oligarchen zählen.
Unabhängig von den vorstehenden Änderungen gibt es auf EU Ebene weitere Überlegungen wie mit dem eingefrorenen Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen der russischen Oligarchen und des russischen Staates (seiner Zentralbank etc.) zukünftig zu verfahren ist und wie diese völkerrechtskonform für den Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden könnten. Ein erster Schritt in diese gedachte Richtung ist eine Einstufung Russlands als Terror-Staat, wie vom EU-Parlament in einer entsprechenden Resolution bereits praktiziert und von dieser für EU-Kommission und EU-Mitgliedstaaten insgesamt gefordert.